Tief im Inneren des Festungsbergs, verborgen hinter unscheinbaren Mauern, öffnet sich ein Gang, der wie ein Tor in eine andere Zeit wirkt. Schon der erste Schritt hinein verändert die Luft: kühl, still, von einer geheimnisvollen Frische, als atme der Berg selbst. Dieser Stollen, im Volksmund nur „Löchl“ genannt, wurde im Jahr 1410 in mühseliger Handarbeit in den harten Fels getrieben. Damals ahnte niemand, dass er mehr als sechs Jahrhunderte überdauern würde – und jede Epoche ihre eigene Geschichte in seinen Stein ritzen würde.
Sein ursprünglicher Zweck war schlicht und doch revolutionär. In einer Zeit, in der es keine künstliche Kühlung gab, nutzte man die konstante Kälte tief im Berg, um Eis zu lagern. Im Winter brachten Männer gewaltige Eisblöcke aus den umliegenden Gewässern heran, lagerten sie sorgfältig übereinander und bedeckten sie mit Stroh. So blieb die eisige Fracht bis weit in den Sommer hinein erhalten – ein unschätzbarer Schatz in einer Welt ohne Kühlschränke. Das „Löchl“ wurde zum Herz eines der bedeutendsten Kühlhäuser Tirols. Von hier aus versorgte man nicht nur das angeschlossene Gasthaus, sondern auch Händler, Wirte und Festgesellschaften in der ganzen Region.
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Doch mit den Jahrhunderten wandelte sich die Welt. Eis wurde leichter zugänglich, die Technik machte Fortschritte, und das Löchl verlor langsam seinen praktischen Wert. Dennoch blieb der Stollen ein Ort, der nie ganz vergessen wurde. Alte Wirte erzählten von der eigentümlichen Stille dort unten, von einem Echo, das manchmal wie ein Flüstern klang, und von dem Gefühl, als ob die Kälte mehr bewahre als nur gefrorenes Wasser.
Heute, über 600 Jahre nach seiner Entstehung, hat das Löchl eine neue Bestimmung gefunden – und doch scheint sein alter Geist darin fortzuleben. Anstelle von Eis lagern nun kostbare Flaschen edelster Destillate in der Dunkelheit. Die „Stollen 1930“, bekannt als die vielleicht geheimnisvollste Gin-Bar der Welt, hat den Stollen in einen Ort verwandelt, der Tradition und Extravaganz auf unvergleichliche Weise vereint. Zwischen rohem Fels und gedämpftem Licht glitzern hunderte Flaschen wie kleine Sterne in einer unterirdischen Nacht.
Wer heute das Löchl betritt, spürt noch immer, dass dies kein gewöhnlicher Raum ist. Er trägt die Spuren von Jahrhunderten – vom metallischen Klang der Werkzeuge jener Männer im Jahr 1410 bis zum gedämpften Klirren der Gläser in der Gegenwart. Vielleicht ist es genau das, was den Stollen so besonders macht: Er war nie nur ein Bauwerk, sondern immer ein lebendiger Teil der Geschichte, der jeden Besucher leise daran erinnert, dass Zeit und Wandel nicht nur verlieren, sondern auch verwandeln können.
